Fachtagung von BAG OKJE und KV OKJA „Macht Jugendarbeit (k)einen Unterschied“?

Einblicke in aktuelle Diskurse, Forschungs- und Praxisprojekte zu Partizipation und politischer Bildung in der Kinder- und Jugendarbeit gab die bundesweite zweitägige Fachtagung am 1. und 2. Dezember 2022 in Berlin.


v.l.n.r: Volker Rohde (BAG OKJE), Helle Becker (TfB e.V.), Uli Kötter (KV OKJA)

Einblicke in aktuelle Diskurse, Forschungs- und Praxisprojekte zu Partizipation und politischer Bildung in der Kinder- und Jugendarbeit gab die bundesweite Fachtagung am 1. und 2. Dezember 2022 in Berlin. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Offene Kinder- und Jugendeinrichtungen (BAG OKJE) e.V. und der Kooperationsverbund Offene Kinder und Jugendarbeit (KV OKJA) hatten zum fachlichen und fachpolitischen Austausch eingeladen. Das Thema lautete „Macht Jugendarbeit (k)einen Unterschied? Partizipation, Demokratiebildung und politische Bildung junger Menschen“. Adressiert waren Fach- und Leitungskräfte, Vertreter*innen von Trägern sowie aus Verbänden und Wissenschaft der Offene Kinder- und Jugendarbeit sowie angrenzender Handlungsfelder.

Tag 1: Vorträge und Austausch zu Partizipation, Demokratiebildung und politischer Bildung in der Jugendarbeit

In seiner Keynote zur Eröffnung der Fachtagung ging der Journalist und Schriftsteller Jürgen Wiebicke auf Spurensuche nach der „Kraft von Einzelnen – Was macht Lust auf Demokratie?“ Unter anderem erzählte er von seiner Suche nach „guten Orten“, bei der er häufig die Beobachtung gemacht habe, dass gute Ideen oftmals auf der Initiative und der Entscheidung zum Engagement einiger Weniger beruhten und dass diese Wenigen viel bewirken könnten. Damit wolle er keineswegs die Notwendigkeit gemeinsamen Diskutierens, Entscheidens und Handelns kleinreden oder gar negieren, sondern den Blick weg von einer – so Wiebicke – (latent) depressiven Grundverfasstheit und gesellschaftlichen Mutlosigkeit hin auf das Einzelne richten, das Kleine starkmachen.

Nach einer weiteren Keynote – Prof. Benedikt Sturzenhecker, Universität Hamburg, zu „Demokratische Partizipation in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und dann in der Kommune“ – hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, zunächst im World Café und später in Workshops ihre Erfahrungen aus der Praxis der OKJA zu teilen und vielfältige Antworten auf die Frage des Tagungsthemas nach dem Unterschied, den Jugendarbeit macht oder machen könnte, zu versuchen. In der Ergebnisbetrachtung im Plenum wurden darauf basierend Forderungen formuliert, welche konzeptionelle und strukturellen Rahmenbedingungen geschaffen und/oder verbessert werden müssen, damit sich politische Bildung in der Kinder- und Jugendarbeit bestmöglich entfalten kann. Eine Podiumsdiskussion zur „Rolle der OKJA als Motor in der Stadt- und Landgemeinde“ beschloss den ersten Tag.

Tag 2: Weitere Impulse und Austauschformate

In ihrer Keynote stellte Dr.in Helle Becker (Geschäftsführung von Transfer für Bildung e.V.) ihr Konzept vor, politische Bildung anhand gemeinsamer Kategorien als eine spezifische Praxis zu beschreiben, unabhängig von den Konzepten und Handlungsfeldern sowie Trägerbereichen der Jugendarbeit. Drei sogenannte Bildungsmodi für politische Bildung (aus Sicht der Kinder und Jugendlichen) und Handlungsmodi (aus Sicht der Fachkräfte) entfalten ihre Wirkung, wenn alle drei in Einrichtungen intentional verfolgt und miteinander verbunden werden. Politische Bildung/Demokratiebildung kann demnach gestaltet werden als a) anlassbezogene Auseinandersetzung mit politischen Themen, b) handlungsfeld- und systeminhärente Erfahrungsmöglichkeit, c) gesondert arrangiertes Setting. Die analytisch hilfreichen Kategorien machen die verschiedenen Formen und Möglichkeiten von politischer Bildung in Feldern der Kinder- und Jugendarbeit, inklusive politischer Jugendbildung, sichtbar und ermöglichen eine differenzierte und zugleich feldübergreifende Betrachtungsweise. Dadurch scheinen vielfältige Win-win-Chancen auf und Abgrenzungsbestrebungen können aufgegeben werden – zugunsten einer Zusammenarbeit für ein breiteres, vielfältigeres Angebot von Demokratiebildung und politischer Bildung für alle Kinder und Jugendlichen.

Annette Mütter, Institutsleitung beim IKAB-Bildungswerk e.V., stellte Erfahrungen aus dem Modellprojekt „Europa sind wir!“ vor. In dem Projekt wurden neue Formen europapolitischer Bildung mit Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf auf lokaler Ebene erprobt, indem Aspekte politischer Bildung und Demokratiebildung verbunden wurden. Das Projekt wurde in Kooperation von Kinder- und Jugendarbeit, politischer Jugendbildung und Kommunen in Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Hessen durchgeführt.

Nachdem in einer Speakers Corner „Thesen zu Herausforderungen und Grenzen in Praxis und Gesellschaft“ vorgetragen worden waren, konnten in sogenannten Ateliers Praxis- und Forschungsprojekte zu Partizipation, Demokratiebildung und politischer Bildung auf Postern vorgestellt und diskutiert werden. Die Transferstelle politische Bildung stellte das Projekt OPEN – Offene Jugendarbeit und politische Bildung gemeinsam engagiert vor. Sechs Partnerschaften, bestehend aus je einer Einrichtung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) und der außerschulischen politischen Jugendbildung, erproben darin neue Wege für eine dauerhafte konstruktive Zusammenarbeit, an der Jugendliche von Beginn an maßgeblich beteiligt sind und deren (politische) Interessen und Themen im Fokus stehen.

Das Projekt dient seit Mitte 2020 als Forschungsfeld für das „Forschungsprojekt zu neuen kooperativen Formen politischer Bildung in der Kinder- und Jugendarbeit. Eine qualitative Feldanalyse“, das von der Technischen Hochschule Köln am Forschungsschwerpunkt Nonformale Bildung durchgeführt und von der Transferstelle politische Bildung begleitet wird. Es nimmt die besonderen Feldbedingungen im Projekt OPEN zum Ausgangspunkt, um Möglichkeiten neuer Formen politischer Jugendbildung zu untersuchen und weitere, allgemeine Fragen im Bereich der Jugendarbeitsforschung bzw. Forschung im Bereich der nonformalen politischen Jugendbildung zu beantworten. Anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse sollen gemeinsam Hinweise für Praxis und Politik erarbeitet werden. Die Forscher*innen der TH Köln stellten u.a. Projekthintergrund und Erkenntnisinteresse sowie Überlegungen zur Methodik vor.

Das nachfolgende Podium bündelte die Impulse der beiden Tage und rundete mit der Frage nach den fachpolitischen Konsequenzen „Was muss sich intern und extern verändern und was müssen wir dafür tun?“ die Veranstaltung ab.

 

Veröffentlicht am 20.12.2022



Bereich:

Gehe zu:Transferstelle