„In Fächern wie Gesellschaftslehre fehlt der Blick ins Klassenzimmer weitestgehend.“ Fünf Fragen an Marcel Grieger

Dr. Marcel Grieger ist Projektmanager des Schlözer-Programms-Lehrerbildung und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Politikwissenschaft / Didaktik der Politik an der Universität Göttingen. In seiner Dissertation hat er Selbstwirksamkeitserwartungen von Lehramtsstudierenden und Lehrkräften zum Unterrichten in Gesellschaftslehre untersucht. Im Bereich politischer Bildung sieht er Forschungsbedarf zu den Auswirkungen von fachfremdem Unterrichten und Lehrkräftefortbildungen.


Foto zeigt bunten Schneebesen

Foto: Camila Gabriel – Uni Göttingen

Dr. Marcel Grieger ist Projektmanager des Schlözer-Programms-Lehrerbildung und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Politikwissenschaft / Didaktik der Politik an der Universität Göttingen. In seiner Dissertation hat er Selbstwirksamkeitserwartungen von Lehramtsstudierenden und Lehrkräften zum Unterrichten in Gesellschaftslehre untersucht. Im Bereich politischer Bildung sieht er Forschungsbedarf zu den Auswirkungen von fachfremdem Unterrichten und Lehrkräftefortbildungen.

1. Was ist Ihr aktuelles und was war Ihr letztes Forschungsprojekt zur politischen Bildung?

Meine Dissertation über die Selbstwirksamkeitserwartungen von Lehramtsstudierenden und Lehrkräften zum Unterrichten in Gesellschaftslehre wird im Februar 2023 veröffentlicht. Die übrigen Publikationen werden fortlaufend aktualisiert. Aktuell untersuche ich in einem großangelegten Projekt gemeinsam mit dem Niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) das Fortbildungsverhalten von Lehrkräften in Niedersachsen: Was zieht sie zu Fortbildungen, was hält sie von einem Besuch ab? Dazu werden sämtliche Fortbildungsdaten der Jahre 2018 bis 2022 ausgewertet. Als Projektmanager des Schlözer-Programms-Lehrerbildung, dem Göttinger Beitrag zur „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“, bin ich weiterhin tätig.

2. Welche Ihrer Forschungsergebnisse schätzen Sie als besonders relevant für die Praxis politischer Bildung ein?

Für relevant halte ich die Erkenntnis aus meiner Dissertation, dass sich die befragten Lehramtsstudierenden und Lehrkräfte das größtenteils fachfremde Unterrichten in Gesellschaftslehre durchaus zutrauen – Lehrkräfte trauen sich das am meisten zu, Bachelorstudierende am wenigsten. Das Vertrauen nimmt ab, wenn es um die Fachdidaktik der nicht studierten Fächer geht. Sowohl in fachdidaktischer als auch fachwissenschaftlicher Hinsicht scheinen die geografischen Anteile in Gesellschaftslehre die größte Herausforderung darzustellen.

3. Welche Themen im Kontext politischer Bildung sollten Ihrer Meinung nach beforscht werden?

Die Auswirkungen der Fachfremdheit auf die Konzeption des Unterrichts und die Schülerleistungen sind meiner Ansicht nach spannende Forschungsfragen. In Fächern wie Gesellschaftslehre fehlt der Blick ins Klassenzimmer weitestgehend. Nicht weniger interessant wäre es, stärker als bisher die Auswirkungen von Lehrkräftefortbildungen auf die Schülerleistungen zu messen. Die Mehrzahl der Wirkungsstudien konzentriert sich noch auf kürzere Zeiträume im Anschluss an die besuchten Fortbildungen.

4. Welchen Gewinn kann ein Dialog von Wissenschaft und Praxis und ein Austausch zwischen den Wissenschaftsdisziplinen für die politische Bildung bringen?

Im Austausch mit den Nachbardisziplinen (z. B. Geschichts- und Geografiedidaktik) kann politische Bildung ihre Konturen schärfen (z.B. Handlungsorientierung, Wertebezug) und gleichzeitig über und von Prinzipien anderer Didaktiken lernen (z. B. Geschichtskultur), so geschehen etwa im Rahmen der Tagungsreihe „Historisch-politische Bildung. Gegenwärtige Herausforderungen und Perspektiven“ oder im Verein „Netzwerk Fach Gesellschaftswissenschaften“. Insbesondere für die quantitativ arbeitende politikdidaktische Forschung sind Kooperationen mit den Bildungswissenschaften von großem Wert. Über statistische Expertise zu verfügen, kann vor allem bei junior researchern nicht vorausgesetzt werden. Ferner ist die Rückkopplung mit „der Praxis“ (Referendar*innen, Lehrkräften, Fach- und Studienseminarleiter*innen etc.) unabdingbar. In Gesellschaftslehre eilt die Praxis der Forschung nämlich voraus.

 

5. Die Fachstelle politische Bildung hat eine Landkarte der Forschung zur politischen Bildung entwickelt, um Austausch und feldübergreifende Zusammenarbeit zu fördern, zwischen und innerhalb der Wissenschaftsdisziplinen sowie zwischen Wissenschaft und Praxis. Sie sind dort mit einem Eintrag vertreten. Über welche Kontaktaufnahmen oder Anfragen anderer Wissenschaftler*innen, Praktiker*innen oder sonstiger Interessierter würden Sie sich freuen?

Stimmen aus der Unterrichtspraxis von Verbundfächern (Gesellschaftslehre, Sachunterricht o. ä.) aus der zweiten und dritten Phase der Lehrkräfteausbildung empfinde ich stets als äußerst gewinnbringend. What works, what doesn’t? Grundsätzlich freue ich mich aber über jede Kontaktaufnahme zu meinen Forschungsschwerpunkten und -interessen.

Veröffentlicht am 10.01.2022, zuletzt aktualisiert am 12.09.2023

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