„Zeit und Ruhe schützen auch vor ziemlich viel altem Wein in gar nicht mal so neuen Schläuchen.“ Fünf Fragen an Marc Partetzke.

Prof. Dr. Marc Partetzke hat eine Professur für Politikdidaktik und Politische Bildung an der Stiftung Universität Hildesheim inne und forscht schwerpunktmäßig zu den Themen Politikdidaktische (Auto-)Biographieforschung, historisch-politische Bildung (Schwerpunkt ehemalige DDR) sowie Politische Kultur und Politische Bildung. Im Gespräch betont er, wie wichtig Zeit und Ruhe für das wissenschaftliche Arbeiten sind.


Prof. Marc Partetzke (Foto: © Daniel Kunzfeld)

Prof. Dr. Marc Partetzke hat eine Professur für Politikdidaktik und Politische Bildung an der Stiftung Universität Hildesheim inne und forscht schwerpunktmäßig zu den Themen Politikdidaktische (Auto-)Biographieforschung, historisch-politische Bildung (Schwerpunkt ehemalige DDR) sowie Politische Kultur und Politische Bildung. Im Gespräch mit der Fachstelle politische Bildung betont er, wie wichtig Zeit und Ruhe für das wissenschaftliche Arbeiten sind und wie durch Austausch und einen Blick über den Tellerrand hinaus viel gewonnen werden kann.

1. Was ist Ihr aktuelles und was war Ihr letztes Forschungsprojekt zur politischen Bildung?

Aktuell bin ich damit beschäftigt, an der Stiftung Universität Hildesheim ein sozialwissenschaftliches Lehr-Lern-Labor aufzubauen (HybSoSciLa). Als hybride Lehr-Lern-Umgebung soll dieses Labor mehrere Funktionen erfüllen, u.a. die Schulung von Lehramtsstudierenden im Umgang mit einer hybriden Infrastruktur sowie in der Planung, Durchführung und Reflexion hybrider Lehr-Lern-Arrangements, die Anbahnung und (Weiter-)Entwicklung verschiedener Kompetenzbereiche des forschenden Lernens, Videographierung und Beforschung von sukzessive in das Labor verlagertem Fachunterricht sowie der Einsatz dieses Materials in der universitären Politiklehrer_innenbildung.

Davor, noch an der Universität Bremen, war ich u.a. im Projekt ELEF involviert, dessen Ziel es war, unterschiedliche partizipative und demokratieförderliche Lernformate und -ansätze umzusetzen und diese verschiedenen Zielgruppen zugänglich zu machen.

2. Welche Ihrer Forschungsergebnisse halten Sie für besonders relevant für die Praxis politischer Bildung?

Ich bin überzeugt davon, dass eine zentrale Aufgabe der Politikdidaktik darin besteht, einen Beitrag zur Weiterentwicklung (im Sinne von Verbesserung) der Praxis politischer Bildung zu leisten. Daher halte ich die Ergebnisse der von mir (mit-)begründeten politikdidaktischen (Auto-)Biographieforschung für besonders relevant. Wenn politische Lehr-Lern-Prozesse Schüler_innen einen Zugang zur und einen verständnisintensiven-interpretativen Einblick in die mehrdimensionale politische ‚Realität‘ ermöglichen sowie einen Beitrag zur demokratisch-politischen Bewusstseins- und Identitätsbildung leisten sollen, dann funktioniert das ganz hervorragend mittels des Einsatzes biographischer Materialien – vorausgesetzt deren Entstehung ist wissenschaftlich abgesichert.

3. Welche Themen im Kontext politischer Bildung sollten Ihrer Meinung nach beforscht werden?

Da gibt es so viele, dass ich einzelne Themen nicht nennen will, wohl aber Themenfelder, in denen sich, zum Glück, teilweise schon etwas länger einiges tut: Politische Bildung und Geschlechterverhältnisse, Emotionen und politische Bildung, Inklusive politische Bildung, Digitalisierung, Politische Bildung an berufsbildenden Schulen sowie Didaktik der Sozialwissenschaften.

4. Welchen Gewinn kann ein Dialog von Wissenschaft und Praxis sowie ein Austausch zwischen und in den Wissenschaftsdisziplinen für die politische Bildung bringen?

Zunächst einmal brauche ich als Wissenschaftler vor allem zwei Dinge, die viel zu knapp bemessen sind: Zeit und Ruhe! Aber: Mir scheint das deutsche Wissenschaftssystem immer noch viel zu stark auf Individualleistungen abzustellen. Dabei ist es eine Binsenweisheit, dass vier (oder mehr) Augen mehr sehen als nur zwei. Insofern sind Austausch, Dialog und kollaboratives Arbeiten, ob nun mit der Praxis, innerdisziplinär und/oder über die Grenzen der eigenen Disziplin hinweg, immer sinnvoll, um bspw. wechselseitiges Verstehen (freilich nicht immer Verständnis) zu ermöglichen und um Perspektiven und Horizonte zu erweitern. Übrigens: Meine eigene Forschung zeigt mir immer wieder, wie fruchtbar und wichtig ein solcher Blick über den eigenen Tellerrand hinaus auch deshalb ist, weil vieles von dem, was für mich wichtig und relevant ist, woanders längst so oder so ähnlich gedacht worden ist. Zeit und Ruhe schützen insofern also auch vor ziemlich viel altem Wein in gar nicht mal so neuen Schläuchen.

5. Die Fachstelle politische Bildung hat eine Landkarte der Forschung zur politischen Bildung entwickelt, um Austausch und feldübergreifende Zusammenarbeit zu fördern, zwischen und innerhalb der Wissenschaftsdisziplinen sowie zwischen Wissenschaft und Praxis. Sie sind dort mit einem Eintrag vertreten. Über welche Kontaktaufnahmen oder Anfragen anderer Wissenschaftler_innen, Praktiker_innen oder sonstiger Interessierter würden Sie sich freuen?

Ich freue mich über Kontakte zu Kolleg_innen aus der Soziologie und der Geschichtswissenschaft, einerseits mit Blick auf die Weiterentwicklung der politikdidaktischen (Auto-)Biographieforschung, andererseits mit Blick auf das Thema Ehemalige DDR als Gegenstand historisch-politischer Bildung, mit dem ich mich seit längerem intensiv befasse. Politikwissenschaftlich lässt mich seit Jahren das Thema Politische Kultur(-forschung) nicht los. Der halbe Sprachwissenschaftler in mir freut sich über Austausch mit Kolleg_innen aus der Kognitiven Linguistik sowie der Politolinguistik.

Über Kontaktaufnahmen aus der Praxis freue ich mich insbesondere dann, wenn es um die gemeinsame Entwicklung, Implementierung, Erprobung, Evaluation, Beforschung und Weiterentwicklung politikdidaktischer Interventionen im Sinne des design-based research-Ansatzes geht.

Veröffentlicht am 09.02.2021

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