„Wir müssen Akteur*innen, die nur über eingeschränkte politische Partizipationsmöglichkeiten verfügen, stärker ins Blickfeld politischer Bildung rücken.“ Fünf Fragen an Anette Sprung
Annette Sprung ist Professorin für Migration und Bildung und Leiterin des Arbeitsbereiches „Migration – Diversität – Bildung“ am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Universität Graz. Forschungsbedarf sieht sie u.a. im Bereich informeller Lern- und Bildungsprozesse in alltäglichen Praxen von Menschen. Hierbei sollten insbesondere von politischer Bildung bisher weniger beachtete Menschen und Gruppen stärker einbezogen werden.
Annette Sprung ist Professorin für Migration und Bildung und Leiterin des Arbeitsbereiches „Migration – Diversität – Bildung“ am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Karl-Franzens-Universität Graz. Forschungsbedarf sieht sie u.a. im Bereich informeller Lern- und Bildungsprozesse in alltäglichen Praxen von Menschen. Hierbei sollten insbesondere von politischer Bildung bisher weniger beachtete Menschen und Gruppen stärker einbezogen werden, z.B. Menschen mit eingeschränkten politischen Partizipationsrechten, prekären Lebensbedingungen oder ältere Menschen.
1. Was ist Ihr aktuelles und was war Ihr letztes Forschungsprojekt zur politischen Bildung?
Aktuell arbeiten wir gemeinsam mit dem Zentrum für interdisziplinäre Alterns- und Careforschung der Universität Graz sowie mit verschiedenen NGOs an der Förderung so genannter „Caring Communities“ unter besonderer Berücksichtigung der Lebenssituation älterer Menschen mit Migrationsbiografien. Unser letztes Projekt „Active Urban Citizenship“ erforschte gemeinsam mit einer Gruppe interessierter Frauen die Potenziale einer aktiven Bürger*innenschaft unter Bedingungen von Diversität im urbanen Raum mittels künstlerischer Methoden. (s. zu beiden Projekten auch die Fünf Fragen an Brigitte Kukovetz).
2. Welche Ihrer Forschungsergebnisse schätzen Sie als besonders relevant für die Praxis politischer Bildung ein?
Wenn wir über aktive Bürger*innenschaft sprechen, müssen auch Akteur*innen, die z.B. qua Rechtsstatus (Staatsbürgerschaft) nur über eingeschränkte politische Partizipationsmöglichkeiten verfügen, stärker ins Blickfeld politischer Bildung rücken. Bestehende Partizipationsmodelle und Bildungssettings bedürfen einer kritischen Reflexion und teilweise neuer Ansätze, um möglichst viele/vielfältige Menschen an demokratischen Prozessen zu beteiligen und etwaige Barrieren (z. B. in sprachlicher Hinsicht oder in Bezug auf rassistische Exklusionsmechanismen) abzubauen. Dabei sind stets die strukturellen bzw. politischen Rahmenbedingungen im Auge zu behalten, um aktive Bürger*innenschaft nicht als einseitigen Aufruf an das Individuum zu verstehen.
3. Welche Themen im Kontext politischer Bildung sollten Ihrer Meinung nach beforscht werden?
Es gibt viele wichtige und aktuelle Themen im Bereich der politischen Bildung, die bereits beforscht werden bzw. die zum Teil auch noch intensiver oder mit zusätzlichen Akzenten analysiert werden könnten. Aus meinem eigenen Forschungshintergrund betrachtet sehe ich z.B. noch viel Potenzial in der Erforschung informeller Lern- und Bildungsprozesse, wie sie in alltäglichen Praxen von Menschen verankert sind. Dabei sollten insbesondere auch Personen und Gruppen ins Blickfeld rücken, die oft nicht als „aktive Bürger*innen“ wahrgenommen oder adressiert werden – also z.B. Menschen in prekären Lebensverhältnissen, Personen ohne formale Bürger*innenrechte im Kontext von Migration, ältere Bürger*innen etc. Spannend finde ich dabei u.a. die Frage, wie solidarische Praxen gewürdigt und durch Bildung verstärkt bzw. angeregt werden können.
4. Welchen Gewinn kann ein Dialog von Wissenschaft und Praxis und ein Austausch zwischen den Wissenschaftsdisziplinen für die politische Bildung bringen?
Ich sehe das Potenzial eines Dialogs, auch von transdisziplinären Forschungen, u. a. darin, dass unterschiedliche Wissensformen (wie z.B. wissenschaftliches Wissen, Praxis-Wissen, lebensweltliches Knowhow) auf Augenhöhe ausgetauscht werden sollten und damit auch wechselseitige Lernprozesse stattfinden können.
5. Die Fachstelle politische Bildung hat eine Landkarte der Forschung zur politischen Bildung entwickelt, um Austausch und feldübergreifende Zusammenarbeit zu fördern, zwischen und innerhalb der Wissenschaftsdisziplinen sowie zwischen Wissenschaft und Praxis. Sie sind dort mit einem Eintrag vertreten. Über welche Kontaktaufnahmen oder Anfragen anderer Wissenschaftler*innen, Praktiker*innen oder sonstiger Interessierter würden Sie sich freuen?
Ich möchte hier keine Einschränkung vornehmen – ich freue mich über Austausch und Kontakt mit allen Interessierten. Die Expertise, die ich selbst anbieten kann, liegt in den Bereichen Migration, Erwachsenenbildung, Active Citizenship, informelles Lernen und Altern.
Veröffentlicht am 21.03.2024
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