„Interdisziplinarität weitet den Horizont.“ Fünf Fragen an Thomas Goll

Thomas Goll ist Professor für Integrative Fachdidaktik Sachunterricht und Sozialwissenschaften an der TU Dortmund. Wir haben mit ihm fünf Fragen zu seiner Forschung, Forschungslücken und zum Dialog zwischen und innerhalb von Wissenschaft und Praxis politischer Bildung gestellt.


Prof. Dr. Thomas Goll (Foto: privat)

Thomas Goll ist Professor für Integrative Fachdidaktik Sachunterricht und Sozialwissenschaften an der TU Dortmund. Wir haben mit ihm fünf Fragen zu seiner Forschung, Forschungslücken und zum Dialog zwischen und innerhalb von Wissenschaft und Praxis politischer Bildung gestellt.

 

1. Was ist Ihr aktuelles und was war Ihr letztes Forschungsprojekt?

Aktuell befasse ich mich mit dem Projekt PBKS – „Politische Bildung von Anfang an (Kindertagesstätten und Sachunterricht“). Es adressiert die Notwendigkeit, demokratisches Lernen und politische Bildung als aufeinander verwiesenes lebenslanges Lernen zu denken und dabei die institutionellen Orte dieses Lernens im Übergang von vorschulischer und schulischer politischer Bildung stärker als bislang aufeinander zu beziehen. Im Rahmen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ habe ich zuletzt zusammen mit Dörte Kanschik in „DoProfiL – Das Dortmunder Profil für inklusionsorientierte Lehrer/innenbildung“ das Teilprojekt: „Diversitätsaspekte zum Thema machen – Perspektiven der Fachdidaktik Sachunterricht“ bearbeitet. Das Bestreben war, Diversitätsaspekte für Studierende (und Lehrende) sichtbar und damit bearbeitbar zu machen.

2. Welche Ihrer Forschungsergebnisse halten Sie für besonders relevant für die Praxis politischer Bildung?

Für besonders wichtig halte ich die Beiträge zur Erforschung der politischen Konzepte von Schüler_innen, angefangen bei der bereits jetzt schon klassischen Studie POWIS (Politisches Wissen von Schüler/innen mit und ohne Migrationshintergrund – Studie zur politischen Grundbildung, 2008-2010, zusammen mit Dagmar Richter und Georg Weißeno sowie seinem Mitarbeiter Valentin Eck. Nicht nur das aktuelle Projekt POWIS Q (Politisches Wissen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationshintergrund – qualitative Teilstudie zu Politikkonzepten, 2012-2020, zusammen mit Michaela Hartmann) setzt diese fort, indem es in einem Mixed Methods-Design die Lernendenperspektive und die Qualität der Testinstrumente beforscht. Auch die an das PBKS-Projekt andockende Beforschung von Wissensbeständen bei Schüler_innen im Übergang von der Kita zur Grundschule knüpft hier an.


3. Welche Themen im Kontext politischer Bildung sollten Ihrer Meinung nach beforscht werden?

Neben der Kompetenzforschung halte ich insbesondere die Wirkungsforschung für unbedingt notwendig. Wir benötigen noch deutlich mehr empirische Belege, sowohl für die schulische als auch die außerschulische politische Bildung. Neben Wissen (Konzepten) betrifft dies auch Urteils- und Handlungskompetenz. Zudem fehlt meiner Meinung nach eine tragfähige Theorie der politischen Bildung. Sie könnte die Gesprächsfähigkeit untereinander verbessern.


4. Welchen Gewinn für die politische Bildung kann ein Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis sowie ein Austausch zwischen und innerhalb der Wissenschaftsdisziplinen bringen?

Interdisziplinarität weitet den Horizont und zeigt Möglichkeiten auf, Dinge ganz anders zu sehen. Während empirische Forschung klaren Paradigmen folgen muss und ganz wesentlich auf ihre theoretische Grundlage verwiesen ist, kann sich das Erkenntnisinteresse von Forschenden durch Kontakte mit anderen Denkweisen, sei es andere Wissenschaften oder Praxisfragen und -erwartungen, erweitern oder neu fokussieren. Skeptisch bin ich allerdings, wenn die Betonung der Inter- oder Transdisziplinariät zu Lasten der Fachlichkeit geht.

5. Die Fachstelle politische Bildung hat eine Landkarte der Forschung zur politischen Bildung entwickelt, um Austausch und feldübergreifende Zusammenarbeit zu fördern: zwischen und innerhalb der Wissenschaftsdisziplinen, aber auch zwischen Wissenschaft und Praxis. Sie sind dort mit einem Eintrag vertreten. Über welche Kontaktaufnahmen oder Anfragen anderer Wissenschaftler_innen, Praktiker_innen oder sonstiger Interessierter würden Sie sich freuen?

Ich halte es für sinnvoll, schulische und außerschulische politische Bildung stärker miteinander ins Gespräch zu bringen. Hier sehe ich blinde Flecken der jeweiligen Communities, was man in Netzwerkanalysen gut zeigen und mit den je anderen Forschungshintergründen gut begründen kann. Reden sollten wir dennoch miteinander, weil aneinander vorbeizureden unserer gemeinsamen Sache – diese wäre allerdings noch zu bestimmen – nicht nützt.

 

Veröffentlicht am 11.06.2019

Zum Weiterlesen

  • Sie finden Thomas Goll in der Landkarte der Forschung zur politischen Bildung.
  • Beitrag in der Jahresbroschüre der Transferstelle 2017: Goll, Thomas (2017): Gemeinsam stärker? Über schulische Rahmenbedingungen, empirische Befunde und Chancen von Kooperationen zwischen außerschulischer politischer Bildung und Schule. In: Transfer für Bildung e.V. (Hrsg.): Gemeinsam stärker!? Kooperationen zwischen außerschulischer politischer Bildung und Schule. S. 56-60. Mehr lesen
  • Datenbankeintrag: Thomas Goll (Hrsg.) (2011): Politikdidaktische Basis- und Fachkonzepte. Bilanz und Perspektiven, Schwalbach/Ts. Mehr lesen


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