„Forschung zu außerschulischer politischer Bildung ist in Österreich nicht sonderlich stark ausgeprägt.“ Fünf Fragen an Martin Haselwanter

Dr. Martin Haselwanter ist im Lehr- und Forschungsbereich Soziale und außerschulische politische Bildung am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Innsbruck tätig. Er beschäftigt sich mit politischer Erwachsenenbildung in Österreich, dem Verhältnis von politischer Bildung und sozialen Bewegungen sowie der Abgrenzung zu Extremismusprävention.


Portraitfoto Martin Haselwanter

Dr. Martin Haselwanter (Foto: Christoph Tauber)

Dr. Martin Haselwanter ist im Lehr- und Forschungsbereich Soziale und außerschulische politische Bildung am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Innsbruck tätig. Er beschäftigt sich mit politischer Erwachsenenbildung in Österreich, dem Verhältnis von politischer Bildung und sozialen Bewegungen sowie der Abgrenzung zu Extremismusprävention. Im Interview kritisiert er, dass in der außerschulischen politischen Bildung Tätigen, nur wenige Möglichkeiten für die Reflexion von Forschungsergebnissen zur Verfügung stehen.


1. Was ist Ihr aktuelles und was war Ihr letztes Forschungsprojekt zur politischen Bildung?

Gegenwärtig beschäftige ich mich mit der Frage nach Resonanzen politischer Erwachsenenbildung auf die Fridays For Future- und die Querdenker*innen-Bewegung.
Zuletzt stand – verstanden als Spurensuche – das Verhältnis von politischer Bildung und Fußball im Mittelpunkt. Diese Auseinandersetzung hat meine Aufmerksamkeit auf einen demnächst verstärkt zu bearbeitenden Themenkomplex gelenkt, nämlich die, aus der Perspektive politischer Bildung zu problematisierende, Zunahme extremismuspräventiver Herangehensweisen im Feld der Pädagogik. Der befreiende und emanzipatorische Gehalt von Bildung wird durch die Verhinderungslogik der Prävention marginalisiert und auf die Affirmation der aktuell vorherrschenden Verhältnisse reduziert.


2. Welche Ihrer Forschungsergebnisse schätzen Sie als besonders relevant für die Praxis politischer Bildung ein?

In der Praxis außerschulischer politischer Bildung in Österreich, die ich als Forscher und Praktiker gut kenne, bleibt zumeist wenig Zeit für die Beschäftigung mit Forschungsergebnissen. Beispielsweise existieren nur wenige Fortbildungsmöglichkeiten, in deren Rahmen Ergebnisse reflektiert werden könnten.

Bezüglich seiner praktischen Relevanz empfehle ich meinen Beitrag „Die Querdenker*innen als Herausforderung. Erwachsenenbildnerische Reflexionen für eine gelingende politische Bildung“, den ich gemeinsam mit Bernd Lederer verfasst habe und der als Open Access verfügbar ist. Dort werden gesellschaftlich relevante und in der Praxis gut umsetzbare Schlussfolgerungen skizziert.

3. Welche Themen im Kontext politischer Bildung sollten Ihrer Meinung nach beforscht werden?

Die Forschung zu außerschulischer politischer Bildung ist in Österreich nicht sonderlich stark ausgeprägt. Deshalb sind sämtliche Aktivitäten im Themenfeld zu begrüßen.

Ich versuche, Grundlagenarbeit mit Fragestellungen zum Verhältnis von politischer Bildung und sozialen Bewegungen oder nach der Abgrenzung zu Extremismusprävention zu verbinden.

4. Welchen Gewinn kann ein Dialog von Wissenschaft und Praxis und ein Austausch zwischen den Wissenschaftsdisziplinen für die politische Bildung bringen?

Dialog und Austausch ermöglichen wechselseitiges Kennenlernen und eine Reflexion der unterschiedlichen Bedürfnisse der verschiedenen Bereiche und Disziplinen. Aus der Perspektive der Wissenschaft kann dies etwa bedeuten, der Praxis, wo dies notwendig erscheint, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende Angebote einer Verbesserung bzw. Veränderung darzulegen. Dies sollte aber nicht im Duktus einer Oberlehrerhaftigkeit geschehen, sondern dialogisch, in kritischer Solidarität.

5. Die Fachstelle politische Bildung hat eine Landkarte der Forschung zur politischen Bildung entwickelt, um Austausch und feldübergreifende Zusammenarbeit zu fördern, zwischen und innerhalb der Wissenschaftsdisziplinen sowie zwischen Wissenschaft und Praxis. Sie sind dort mit einem Eintrag vertreten. Über welche Kontaktaufnahmen oder Anfragen anderer Wissenschaftler*innen, Praktiker*innen oder sonstiger Interessierter würden Sie sich freuen?

Grundsätzlich freue ich mich über alle Anfragen, besonders über solche, die Entwicklungen in Österreich fokussieren. Die Ausweitung der Landkarte ist deshalb äußerst begrüßenswert.

 

Veröffentlicht am 31.10.2022

 

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