„Die aktuelle Monitor-Studie zu Demokratiebildung wird eine offene Forschungsaufgabe umreißen.“ Fünf Fragen an Wolfgang Beutel

Dr. Wolfgang Beutel ist Vertretungsprofessor für Didaktik der politischen Bildung an der Leibniz Universität Hannover. Er leitet zurzeit die Studie „Monitor Demokratiebildung“, mit der unter anderem Kriterien zur Konzeptionalisierung von Demokratiebildung in der Schule erarbeitet werden. Die Studie soll überdies Forschungslücken aufzeigen und weitere Forschung im Bereich Demokratiebildung mit Blick auf die gesamte Institution Schule anregen.


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Dr. Wolfgang Beutel (Foto: privat)

Dr. Wolfgang Beutel ist Vertretungsprofessor für Didaktik der politischen Bildung an der Leibniz Universität Hannover. Er leitet zurzeit die Studie „Monitor Demokratiebildung“, mit der unter anderem Kriterien zur Konzeptionalisierung von Demokratiebildung in der Schule erarbeitet werden. Die Studie soll überdies Forschungslücken aufzeigen und weitere Forschung im Bereich Demokratiebildung mit Blick auf die gesamte Institution Schule anregen.


1. Was ist Ihr aktuelles Forschungsprojekt zur politischen Bildung?

Ich verantworte derzeit – in Kooperation mit Dirk Lange und Steve Kenner – die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Studie „Monitor Demokratiebildung“. Ziel der Studie ist es, Kriterien zur Konzeptualisierung von „Demokratiebildung“ in der Schule zu erarbeiten. Außerdem wollen wir die Fülle möglicher Anknüpfungspunkte für Demokratiebildung in vorliegenden Expertisen zu politischer Bildung und demokratischer Erfahrung in Schule und Jugendbildung sowie aus entsprechenden Projekten, Institutionen und weitergehenden Engagements erfassen und beschreiben. „Demokratiebildung“ erweitert aus meiner Sicht die bislang oft kontrovers geführten Konzepte von politischer Bildung und Demokratiepädagogik. Ein mögliches Konzept der „Demokratiebildung“ unterstreicht beides, die sozialisatorischen und lernbezogenen Elemente von Schule und pädagogischen Institutionen sowie das auf Selbstwirksamkeit und Autonomie zielende Lernen von Kindern, Jugendlichen, aber auch Erwachsenen, das zu prodemokratischem Engagement in Gesellschaft und Politik führen kann und auch soll.

 

2. Welche Ihrer Forschungsergebnisse schätzen Sie als besonders relevant für die Praxis politischer Bildung ein?

Für relevant halte ich den Zusammenhang zwischen demokratischem Erfahrungslernen und seinen sozialisatorischen Wirkungen und Voraussetzungen, insbesondere in der Schule. Diesen Zusammenhang zu verstehen, gelingt durch die Beforschung und Beschreibung wichtiger Praxiserfahrungen demokratischer Pädagogik sowie des Demokratie-Lernens in der Institutionenwelt von Schule und Jugendarbeit. Der Ansatz empirisch gehaltvoller Fallstudienforschung und einer entwicklungsbezogenen Schulforschung war über 25 Jahre mein Forschungsfeld im Bundeswettbewerb „Demokratisch Handeln“.

 

3. Welche Themen im Kontext politischer Bildung sollten Ihrer Meinung nach beforscht werden?

Die aktuelle Monitor-Studie zu Demokratiebildung wird keinen summarischen Endpunkt markieren, sondern eine offene Forschungsaufgabe umreißen. Deshalb soll sie Anknüpfungspunkte und Forschungsdesiderata aufzeigen. Insofern ist eines der Ziele, perspektivisch zugespitzte und problembezogene Nachfolgestudien zu eröffnen und damit ein umfassendes, methodenvariables und kontextsensibles Forschungsfeld zu etablieren – sei es schulart- oder schulstufenbezogen oder anderweitig spezialisiert; in jedem Fall geht es um Forschungen mit Blick auf die pädagogischen Institutionen als Ganze.

 

4. Welchen Gewinn kann ein Dialog von Wissenschaft und Praxis und ein Austausch zwischen den Wissenschaftsdisziplinen für die politische Bildung bringen?

Ein solcher Austausch eröffnet Horizonte hinsichtlich der jeweiligen Handlungsfelder (zumal auch Wissenschaft eine besondere Form der Praxis ist) und legt die Erweiterung methodischer Kompetenzen nahe. Er eröffnet Einsichten und Perspektiven, die helfen, die Hoffnungen (oft auch Anmaßungen) einer rationalen Steuerung und eines technokratisch-effizienten Transfers von pädagogischem Wissen und erziehungswissenschaftlichen Erkenntnissen in die pädagogischen Institutionen hinein realistisch einzuschätzen.

 

5. Die Fachstelle politische Bildung hat eine Landkarte der Forschung zur politischen Bildung entwickelt, um Austausch und feldübergreifende Zusammenarbeit zu fördern, zwischen und innerhalb der Wissenschaftsdisziplinen sowie zwischen Wissenschaft und Praxis. Sie sind dort mit einem Eintrag vertreten. Über welche Kontaktaufnahmen oder Anfragen anderer Wissenschaftler*innen, Praktiker*innen oder sonstiger Interessierter würden Sie sich freuen?

Ich freue mich über Kontaktaufnahme von allen, die die grundlegende Frage der Förderung demokratischer Handlungskompetenz und das Lehren und Lernen für die Demokratie in der Demokratie zum Thema machen – multiprofessionell und mehrperspektivisch im Wissen darum, dass ein Schulfach „Politische Bildung“ hilfreich ist, aber die umfassende Aufgabe zivilgesellschaftlich bedeutsamen Lernens und Engagements für die Demokratie allein keineswegs schultern kann.

 

Veröffentlicht am 30.01.2023

 

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