„Starke Lehrer – starke Schüler“. Interview mit Dagmar Peterhänsel, Sächsisches Landesamt für Schule und Bildung

Dagmar Peterhänsel gibt im Interview Einblicke in Ziele, Herausforderungen und Kooperationen von „Starke Lehrer – starke Schüler“, einem Programm zur Förderung der pädagogischen Handlungskompetenz im Umgang mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit an sächsischen Schulen. Sie ist Leiterin des Programms im Sächsischen Landesamt für Schule und Bildung. „Starke Lehrer – starke Schüler“ startete als Modellprojekt in Sachsen (2015-2018) und wurde wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Es wurde inzwischen in das sächsische Schulsystem implementiert und wird auch in Niedersachsen, Brandenburg und Hessen in Zusammenarbeit mit Wissenschaft durchgeführt.


Dagmar Peterhänsel gibt im Interview Einblicke in Ziele, Herausforderungen und Kooperationen von „Starke Lehrer – starke Schüler“, einem Programm zur Förderung der pädagogischen Handlungskompetenz im Umgang mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit an sächsischen Schulen. Sie ist Leiterin des Programms im Sächsischen Landesamt für Schule und Bildung. „Starke Lehrer – starke Schüler“ startete als Modellprojekt in Sachsen (2015-2018) und wurde wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Es wurde inzwischen in das sächsische Schulsystem implementiert und wird auch in Niedersachsen, Brandenburg und Hessen in Zusammenarbeit mit Wissenschaft durchgeführt.


Fachstelle politische Bildung: Ende 2018 hatte der Sächsische Staatsminister für Kultus Christian Piwarz angekündigt, einen Teil der Ergebnisse des Modellprojekts „Starke Lehrer – starke Schüler“ (2015-2018) in das sächsische Schulsystem zu übernehmen. Sie leiten inzwischen ein gleichnamiges Programm beim Landesamt für Schule und Bildung in Sachsen. Was ist seit Beendigung des Modellprojekts in Sachsen in diesem Bereich passiert?

Dagmar Peterhänsel: Neben dem Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums, die Idee des Modellprojektes „Starke Lehrer – starke Schüler“ bis Ende 2022 in die sächsische Schullandschaft zu transferieren, wurde das Programm in das Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus der Sächsischen Staatsregierung, Handlungsfeld I „Stärkung der demokratischen Grundwerte [Stärken]“ aufgenommen. Das zeigt zum einen die inhaltliche und politische Bedeutung dieser Maßnahme als ein Baustein in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und gibt uns und den Schulen zum anderen mindestens bis zum Ende des Jahres 2024 Handlungssicherheit.

„Starke Lehrer – starke Schüler“ ist, im Vergleich zur Modellphase, mittlerweile an allen Schularten im Freistaat präsent, d.h. wir haben neben den berufsbildenden Schulen, unseren ursprünglichen Adressatinnen und Adressaten, auch Grund- und Oberschulen, Gymnasien und Förderschulen, die unser Angebot wahr- und annehmen. Auch die Kooperationsstrukturen mit verschiedenen zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren haben sich konsolidiert, sodass wir hier auf ein breites Netzwerk mit großer fachlicher Expertise zurückgreifen können. Einige der Inhalte aus dem Programm, das vorrangig die pädagogische Handlungskompetenz im Umgang mit Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zum Ziel hat, haben zudem Eingang in die Lehrkräfteausbildung sowie in die Fortbildung der Lehr- und Führungskräfte gefunden. Unser Ansatz beruht darauf, mittels thematischer Qualifizierungen einerseits sowie verschiedener Methoden der Prozessbegleitung und -beratung andererseits dazu beizutragen, die Persönlichkeit und Professionalität der Schulleitungen, Lehrkräfte und anderen pädagogischen Akteurinnen und Akteuren an den Schulen in der Auseinandersetzung mit demokratie- und menschenfeindlichen Einstellungen zu stärken. Darüber hinaus kann das Programm, durch die Vernetzung der Schulen mit externen Partnerinnen und Partnern, nachhaltig eine demokratische Schulentwicklung fördern.

 

FpB: Was ist Ziel des Programms und an wen richtet sich das Angebot?

DP: „Starke Lehrer – starke Schüler“ ist ein Programm zur Förderung der pädagogischen Handlungskompetenz im Umgang mit Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF) an Schulen im Freistaat Sachsen. Es unterstützt Schulleitungen, Lehrkräfte und andere pädagogische Akteurinnen und Akteure an den Schulen dabei, für das Themenfeld GMF zu sensibilisieren, über Formen, Inhalte und Auswirkungen von GMF zu informieren, darüber kritisch zu reflektieren und diese eigenständig zu bewerten sowie Handlungsfähigkeit im Umgang mit GMF herzustellen. Hierbei werden diese Prozessschritte an den Bedarf jeder Schule zielgenau angepasst. In der Umsetzung geschieht dies mit inhaltlichen Qualifikationsmodulen, die oft durch Beratungs-, Supervisions- und Coachingprozesse begleitet und unterstützt werden. Das alles realisieren wir mit der Einbindung außerschulischer Akteurinnen und Akteure der politischen Bildung in Sachsen, deren Vernetzung wiederum ein breiter gefächertes Angebot für Schulen ermöglicht.


FpB: Wer ist noch an dem Programm beteiligt (Kooperationspartner) und inwiefern profitieren sie voneinander?

DP: In unserem doppeljährlich erscheinenden Angebotskatalog sind alle Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner sowie andere beteiligte Akteurinnen und Akteure aufgeführt und vorgestellt, deren Angebote wir den Schulen empfehlen. Es gibt jedoch drei große Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner: Die Amadeu Antonio Stiftung stellt eine fachliche Begleitung für die Programmleitung zur Verfügung und unterstützt uns v. a., bei der Beratungsarbeit an Schulen und der Durchführung von schulinternen und schulübergreifenden Fortbildungen und qualifiziert einen Pool an Fortbildnerinnen und Fortbildnern. Das Ariowitsch-Haus e. V. – Kultur und Begegnungszentrum in Leipzig führt vor allem Workshops im Themenfeld Antisemitismus und GMF in unserem Auftrag durch. Und drittens wird uns zukünftig die Courage – Werkstatt für demokratische Bildungsarbeit e. V. in Dresden bei der Begleitung von Prozessentwicklungsgruppen und durch Beratungs- und Fortbildungsangebote in den Schulen unterstützen. Diese Vielfalt der Perspektiven und Ansätze ist sehr bereichernd, sowohl innerhalb der Zusammenarbeit mit den Akteurinnen und Akteuren an und in Schulen als auch im Rahmen unserer Kooperationen selbst.

FpB: Welche Erkenntnisse aus dem Modellprojekt haben Sie übernommen und was sind Ihre bisherigen Erfahrungen im aktuellen Programm?

DP: Der Anspruch von Modellversuchen ist es, möglichst innovative Lösungen für Probleme aus der Bildungspraxis modellhaft zu entwickeln, zu erproben und zu evaluieren, um diese Lösungen dann auf nicht unmittelbar am Modellversuch beteiligte Institutionen bzw. Personen mit vergleichbaren Problemen übertragen zu können.

In diesem Prozess sind wir zu folgenden Einsichten gelangt:

Man muss den Schulen anschlussfähige Angebote machen, die u.a. dazu beitragen, partiell erreichte Sensibilisierungsprozesse in das gesamte Kollegium zu tragen und schulprogrammatische Prozesse anzuregen, z.B. Leitbild, Hausordnung.

Den Schulleitungen kommt eine besondere Rolle zu. Daher sollten gerade für die Führungsebene Qualifizierungsmöglichkeiten bereitgehalten werden, die auf bildungspolitische und gesellschaftliche Herausforderungen Bezug nehmen, Methoden der Teamentwicklung, Kommunikations- und Beteiligungskultur sowie der Selbstevaluation vermitteln, politische Fragen aufgreifen und Handlungsansätze bis hin zur eigenen Schulprogrammarbeit aufzeigen.

Während der Pandemie konnte man einen steilen Anstieg der am Programm interessierten Schulen feststellen, da sich die zum Teil aufgeheizte gesellschaftliche Debatte, beispielsweise zur vermeintlichen Freiheitsbeschränkung durch die Coronaschutzmaßnahmen der Regierung oder zu Verschwörungserzählungen, auch in den Lehrerzimmern und Klassenräumen widerspiegelte.

Jetzt zu Beginn der Schuljahres 2022/23 besteht die Herausforderung darin, zeitliche Ressourcen bei den Schulleitungen und Lehrkräften zu finden, da durch den Fachkräftemangel auch im Schulwesen und durch die Integration der ukrainischen Geflüchteten die personelle Ausstattung äußerst angespannt ist.

Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass gerade in herausfordernden Zeiten die standhafte Auseinandersetzung mit demokratiefeindlichen Erscheinungen geboten ist und nicht durch andere Problemlagen aufgehoben werden darf.

 

FpB: Das Modellprojekt „Starke Schüler – starke Schüler“ (2015-2018) wurde von der Robert Bosch Stiftung initiiert und wird inzwischen auch in Niedersachsen, Brandenburg und Hessen umgesetzt. Inwiefern stehen Sie da im Austausch?

DP: Es existiert ein Austauschformat „SLsS bundesweit“ unter der Leitung der Bundeszentrale für politische Bildung, das dazu dienen soll, die Erfahrungen aus Sachsen bei der Implementierung in anderen Bundesländern mitzunehmen und mögliche Anknüpfungspunkte, die uns alle gemeinsam betreffen, auszuloten.


Veröffentlicht am 21.10.2022, aktualisiert 04.11.2022

 

Zum Weiterlesen

  • Weitere Informationen zum aktuellen Programm „Starke Lehrer – starke Schüler“ in Sachsen mehr lesen
  • Überblicksseite zu „Starke Lehrer – starke Schüler“ mit Informationen zum wissenschaftlich begleiteten und evaluierten Modellprojekt in Sachsen sowie zur Umsetzung in Niedersachsen, Brandenburg und Hessen. mehr lesen 
  • Datenbankeintrag: Fischer, Sebastian (2018): Evaluation des sächsischen Modellprojektes „Starke Lehrer – Starke Schüler“. mehr lesen

 

 



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