„Die Zusammenhänge zwischen Partizipation, Wissensaneignung und Bildung sollten genauer theoretisch beschrieben und empirisch untersucht werden“ Fünf Fragen an Moritz Schwerthelm
Moritz Schwerthelm ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Sozialpädagogik der Fakultät für Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg. Im Interview berichtet er von seinem Promotionsprojekt zu demokratischer Partizipation und Demokratiebildung in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und den Ergebnissen der Studie „Stay with the trouble“, in der Infragestellungen, Einflussnahmen und Angriffe von Seiten der extremen Rechten auf die Offene Kinder- und Jugendarbeit untersucht und Handlungsempfehlungen erarbeitet wurden.
Moritz Schwerthelm ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Sozialpädagogik der Fakultät für Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg. Im Interview berichtet er von seinem Promotionsprojekt zu demokratischer Partizipation und Demokratiebildung in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und den Ergebnissen der Studie „Stay with the trouble“, in der Infragestellungen, Einflussnahmen und Angriffe von Seiten der extremen Rechten auf die Offene Kinder- und Jugendarbeit untersucht und Handlungsempfehlungen erarbeitet wurden.
1. Was ist Ihr aktuelles und was war Ihr letztes Forschungsprojekt zur politischen Bildung?
Aktuell forsche ich im Rahmen meiner Promotion zu demokratischer Partizipation und Demokratiebildung in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA). In einer Ethnografie rekonstruiere ich, welche Formen politischen und demokratischen Handelns für Kindern und Jugendlichen in der OKJA entstehen und inwiefern diese Demokratiebildung möglich machen. Dabei ist eine Frage, ob und auf welche spezifische Weise Fachkräfte der OKJA politische Bildung ermöglichen.
2020 habe ich gemeinsam mit Dr. Nils Schuhmacher und Gillian Zimmermann in der Studie „Stay with the trouble“ erforscht, ob und wie politische Akteure auf kommunaler und Landesebene Einfluss auf Jugendarbeit nehmen, diese infrage stellen oder angreifen.
2. Welche Ihrer Forschungsergebnisse schätzen Sie als besonders relevant für die Praxis politischer Bildung ein?
Ein Ergebnis unserer Studie „Stay with the trouble“ zu politischen Interventionen in der Jugendarbeit ist: Jugendarbeit wird von rechten Akteuren, wie der AfD, vor allem dort angegriffen oder infrage gestellt, wo Fachkräfte engagiert ihren gesetzlichen Auftrag zur Förderung von Partizipation und politischer Bildung junger Menschen verfolgen und Demokratie, Menschenrechte und Diversität verteidigen. Dabei wird das ‚Neutralitätsgebot‘ politischer Bildung bewusst fehlinterpretiert und eine Entpolitisierung von Jugendarbeit eingefordert, die politische Bildung verunmöglicht. Dazu wurden Handlungsempfehlungen formuliert, wie mit solchen Einflussnahmeversuchen umgegangen werden könnte. Im Kern schilderten uns betroffene Einrichtungen, dass es ihnen gelingt negative Folgen politischer Interventionen abzuwenden oder zumindest zu reduzieren, wenn sie erstens von lokalen Akteuren der Jugendarbeit, politischer Bildung und Zivilgesellschaft sowie Behörden und politischen Entscheidungsträger*innen öffentliche Unterstützung erfahren und sie zweitens die Aufmerksamkeit, die durch die Interventionen entsteht, nutzen können, um zu zeigen, dass sie mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag für eine vielfältige demokratische Gesellschaft leisten. Dafür braucht es jedoch rechtliches Fachwissen sowie fachliche Argumente. Gute Arbeitsbeziehungen in die Behörden und eine zivilgesellschaftliche Vernetzung erleichtern Betroffenen außerdem den Umgang.
3. Welche Themen im Kontext politischer Bildung sollten Ihrer Meinung nach beforscht werden?
In der außerschulischen politischen Bildung und Demokratiebildung gehen wir von einem starken Zusammenhang von demokratischem bzw. politischem Handeln und Bildung aus: Demokratie eignet man sich durch demokratisches Handeln an und im Prozess demokratischen Handelns eignet man sich das dafür notwendige (politische) Wissen an. Diese Zusammenhänge zwischen Partizipation, Wissensaneignung und Bildung sollten genauer theoretisch beschrieben und empirisch untersucht werden. Mit meiner Dissertation möchte ich einen Teil hierzu beitragen.
4. Welchen Gewinn kann ein Dialog von Wissenschaft und Praxis und ein Austausch zwischen den Wissenschaftsdisziplinen für die politische Bildung bringen?
Am Arbeitsbereich Sozialpädagogik der Universität Hamburg forschen wir im engen Dialog mit den Praxisfeldern der Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere der Kinder- und Jugendarbeit, zur Partizipation und Demokratiebildung junger Menschen. Dabei handelt es sich meist um Praxisentwicklungsprojekte, in denen Handlungskonzepte und Methoden zur Förderung von Partizipation, Demokratiebildung und politischer Bildung entstehen, wie die Methoden zur Förderung gesellschaftlichen Engagements in Sozialraum und Kommune. In diesem Kontext sind auch die Kooperation zu anderen Handlungsfeldern und deren Ansätze und Konzepte politischer Bildung von hoher Relevanz.
5. Die Fachstelle politische Bildung hat eine Landkarte der Forschung zur politischen Bildung entwickelt, um Austausch und feldübergreifende Zusammenarbeit zu fördern, zwischen und innerhalb der Wissenschaftsdisziplinen sowie zwischen Wissenschaft und Praxis. Sie sind dort mit einem Eintrag vertreten. Über welche Kontaktaufnahmen oder Anfragen anderer Wissenschaftler*innen, Praktiker*innen oder sonstiger Interessierter würden Sie sich freuen?
Momentan interessiere ich mich besonders dafür, wie die unterschiedlichen Handlungsfelder der Kinder- und Jugendarbeit in Kooperation die demokratische Partizipation und Demokratiebildung von Kindern und Jugendlichen in Kommune und Sozialraum unterstützen können und freue mich diesbezüglich über Kontaktaufnahmen und Anfragen aus Wissenschaft und Praxis der politischen Bildung.
Veröffentlicht am 21.12.2021
Zum Weiterlesen
- Sie finden Moritz Schwerthelm in der Landkarte der Forschung zur politischen Bildung.
- Datenbankeintrag: Schwerthelm, Moritz (2015): Förderung gesellschaftlichen Engagements Benachteiligter in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit – Erfolge und Schwierigkeiten. Zur Evaluation des gleichnamigen Projekts der Bertelsmann Stiftung, Hamburg mehr lesen