„Wir benötigen mehr Forschung im Bereich der aktiven europäischen Bürgerschaft.“ Fünf Fragen an Barbara Tham

Dr.in Barbara Tham ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Teil der Forschungsgruppe Jugend und Europa am Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im Interview gibt Sie Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte zu den EU-Jugendprogrammen und zeigt auf, zu welchen Themen im europäischen Kontext mehr Austausch gefördert werden sollte.


Portraitofto Dr.in Barbara Tham

Dr.in Barbara Tham (Foto: Privat)

Dr.in Barbara Tham ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Teil der Forschungsgruppe Jugend und Europa am Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im Interview gibt Sie Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte zu den EU-Jugendprogrammen und zeigt auf, zu welchen Themen im europäischen Kontext mehr Austausch gefördert werden sollte.

 

1.Was ist Ihr aktuelles und was war Ihr letztes Forschungsprojekt zur politischen Bildung?

In unserem letzten Forschungsprojekt hat das Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) an einer Untersuchung zu Partizipation und Bürgerschaft in den EU-Jugendprogrammen im Rahmen des europäischen Forschungsnetzwerk RAY (Research-based analysis of European youth programmes) mitgewirkt. Ziel der RAY-PART-Studie war es, anhand von Fallstudien vertiefte Erkenntnisse darüber zu gewinnen, auf welche Weise und mittels welcher Methoden in den Projekten Partizipation und aktive Bürgerschaft der Teilnehmenden gestärkt werden und welche Kompetenzen sie erwerben. Da sich mit der Covid-19 Pandemie auch die Rahmenbedingungen für die Durchführung der untersuchten Projekte massiv änderten, wurde zudem ein Untersuchungsfokus auf die neu entwickelten Projektansätze und die dabei eingesetzten digitalen Instrumente und deren Wirkungen gelegt.

Auch zur neuen Programmgeneration Erasmus+ Jugend und Europäisches Solidaritätskorps werden in RAY aktuell Daten erhoben und im europäischen Vergleich ausgewertet. Während bisher eher Forschungsfragen im Vordergrund standen, die sich auf die individuellen Effekte der Projektteilnahme bezogen, richtet sich in Zukunft das Untersuchungsinteresse verstärkt auf die politischen Implikationen der Programme.

 

2. Welche Ihrer Forschungsergebnisse schätzen Sie als besonders relevant für die Praxis politischer Bildung ein?

Befähigung und Beteiligung junger Menschen in Europa sind eine wesentliche Zielsetzung der EU-Jugendpolitik. Angesichts aktueller politischer, wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungen spielt die Berücksichtigung junger Menschen und ihrer Interessen eine große Rolle für die Zukunft Europas. Dies in der (internationalen) Jugend- und Bildungsarbeit aufzugreifen und für die konkrete Projektarbeit zu adaptieren, stellt eine große Herausforderung für die Trägerlandschaft dar. Ebenso wie Jugendliche oftmals keine Mitwirkungsmöglichkeiten sehen, um sich mit europäischer Politik und politischen Entwicklungen aktiv zu beschäftigen, fehlen auch Fachkräften Gelegenheiten, um sich mit gesellschaftlichen und politischen Anforderungen im europäischen Kontext auseinanderzusetzen. In diesem Sinne gilt es den Austausch über erfolgreiche Ansätze und Projekte sowie die Diskussion aktueller europäischer Politikentwicklung und deren Auswirkung auf die eigene Jugend- und Bildungsarbeit verstärkt zu fördern.

 

3. Welche Themen im Kontext politischer Bildung sollten Ihrer Meinung nach beforscht werden?

Wir benötigen mehr Forschung im Bereich der aktiven europäischen Bürgerschaft sowie zum Selbstverständnis und zur Beteiligung junger Menschen im Kontext des europäischen Einigungsprozesses. Zudem gilt es differenzierter zu untersuchen, welche Ansätze und Formate der europapolitischen Bildungsarbeit für welche Zielgruppen geeignet sind und welche Bedeutung zukünftig digitalen Angeboten zukommt. Darüber hinaus sollten die Erwartungen und Einschätzungen der politischen Entscheidungsträger*innen zur Bedeutung von Jugendpartizipation und deren Entwicklung im europäischen Kontext näher beforscht werden.

 

4. Welchen Gewinn kann ein Dialog von Wissenschaft und Praxis und ein Austausch zwischen den Wissenschaftsdisziplinen für die politische Bildung bringen?

Gemäß der Ausrichtung des CAP, angewandte Politikforschung zu verfolgen, zielt unsere wissenschaftliche Tätigkeit auf Ergebnisse und Erkenntnisse, die Eingang in Politik und Praxis finden und damit zur Diskussion und Weiterentwicklung beitragen. Weiterhin werden in die Ausrichtung der Forschungsarbeit immer auch Anregungen und Bedarfe aus Praxis und Politik aufgenommen. Ein offener Dialog zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik ist die Grundlage für eine kritische Analyse von aktuellen Entwicklungen, Handlungsbedarf und Lösungsansätzen.

5. Die Fachstelle politische Bildung hat eine Landkarte der Forschung zur politischen Bildung entwickelt, um Austausch und feldübergreifende Zusammenarbeit zu fördern: zwischen und innerhalb der Wissenschaftsdisziplinen sowie zwischen Wissenschaft und Praxis. Sie sind dort mit einem Eintrag vertreten. Über welche Kontaktaufnahmen oder Anfragen anderer Wissenschaftler*innen, Praktiker*innen oder sonstiger Interessierter würden Sie sich freuen?

Ich freue mich über alle Anfragen und Anregungen, insbesondere im Kontext unseres großen Tätigkeitsfelds „Jugend und Europa“. Anfragen können sich dabei sowohl auf Forschung wie auch auf Praxisanwendung im Bereich der europapolitischen Jugend- und Bildungsarbeit beziehen.

Veröffentlicht am 10.01.2022

 

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