„Interessant wäre die Untersuchung langfristiger Prozesse politischer Sozialisation mit qualitativen und quantitativen Langzeitstudien über mehrere Jahrzehnte.“ Fünf Fragen an Björn Milbradt (DJI)
Dr. Björn Milbradt ist Leiter der Fachgruppe „Politische Sozialisation und Demokratieförderung“ am DJI in Halle/Saale. Im Interview gibt er Einblicke in verschiedenen Forschungs- und Evaluationsprojekte des DJI im Bereich politische Sozialisation, politische Bildung, Radikalisierung(sprävention) und Extremismus im Jugendalter. Unter anderem berichtet aus der Programmevaluation „Demokratie leben!“.
Dr. Björn Milbradt ist Leiter der Fachgruppe „Politische Sozialisation und Demokratieförderung“ am Deutschen Jugendinstitut (DJI) in Halle/Saale. Im Interview gibt er Einblicke in verschiedenen Forschungs- und Evaluationsprojekte des DJI im Bereich politische Sozialisation, politische Bildung, Radikalisierung(sprävention) und Extremismus im Jugendalter. Er berichtet aus der Programmevaluation „Demokratie leben!“ und über die Bedeutung der Nachhaltigkeit und des Transfers der Projekterkenntnisse in die Regelstrukturen der Kinder- und Jugendhilfe. Außerdem würde er gerne eine Langzeituntersuchung zu politischer Sozialisation durchführen.
1. Welche Forschungsprojekte zur politischen Bildung gibt es aktuell in Ihrem Institut? Welche Projekte haben Sie in diesem Bereich in den letzten fünf Jahren abgeschlossen?
In der Fachgruppe „Politische Sozialisation und Demokratieförderung“ am DJI in Halle/Saale forschen wir zu den Themen politische Sozialisation, politische Bildung, Radikalisierung(sprävention) und Extremismus im Jugendalter. In der Evaluation des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ ist unter anderem die wissenschaftliche Begleitung von Projekten angesiedelt, die Ansätze der Demokratieförderung, politischen Bildung und Partizipation entwickeln und erproben sollen. In der Arbeits- und Forschungsstelle „Demokratieförderung und Extremismusprävention“ (AFS) richtet sich unser Interesse auf Verläufe politischer Sozialisation, Hinwendungen zu demokratiefeindlichen Akteuren und Ideologien und die Präventionspraxis. Beide Projekte sind bereits langjährig am DJI angesiedelt, Ergebnisberichte und Publikationen auf den genannten Webseiten verfügbar.
2. Welche Ihrer Forschungsergebnisse schätzen Sie als besonders relevant für die Praxis politischer Bildung ein?
Relevant für die politische Bildung sind beispielsweise die Befunde zu Prozessen politischer Sozialisation. In einer qualitativen Verlaufsstudie befragen wir Jugendliche zu ihrer Beschäftigung mit Politik und ihrem politischen Engagement, aber auch zu Kontexten etwa im familialen, schulischen und Peer-Bereich. Auch sozialräumliche und institutionelle Einflussfaktoren nehmen wir in der Arbeits- und Forschungsstelle „Demokratieförderung und Extremismusprävention“ empirisch in den Blick. In der Programmevaluation „Demokratie leben!“ konnten wir empirisch belegen, wie wichtig Nachhaltigkeit und Transfer der Projekterkenntnisse in die Regelstrukturen der Kinder- und Jugendhilfe sind. Wir konnten außerdem zeigen wie dies umgesetzt werden kann und welch eine Herausforderung das für weitgehend kurzfristig geförderte Projekte ist.
3. Welche Themen im Kontext politischer Bildung sollten Ihrer Meinung nach beforscht werden?
Interessant wäre die Untersuchung langfristiger Prozesse politischer Sozialisation mit qualitativen und quantitativen Langzeitstudien über mehrere Jahrzehnte: Wie entwickeln sich im Laufe von Kindheit, Adoleszenz und auch im Erwachsenenalter (Un-)Mündigkeit und (Un-)Vernunft, politische Einstellungen und Haltungen, politisches Engagement, das Verhältnis zu Wahrheit, zu Macht und Herrschaft? Und welche gesellschaftlichen, familialen und institutionellen Faktoren spielen dabei eine Rolle?
4. Mit welchen Akteuren aus dem Feld der politischen Bildung arbeiten Sie überwiegend zusammen?
Wir arbeiten in der Fachgruppe mit universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, mit Trägern und Projekten der Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung und Extremismusprävention sowie verschiedene Landes- und Bundesministerien, mit Schwerpunkt auf dem Bundesfamilienministerium (BMFSFJ), zusammen.
5. Die Fachstelle politische Bildung hat eine Landkarte der Forschung zur politischen Bildung entwickelt, um Austausch und feldübergreifende Zusammenarbeit zu fördern: zwischen und innerhalb der Wissenschaftsdisziplinen sowie zwischen Wissenschaft und Praxis. Ihr Institut ist dort mit einem Eintrag vertreten. Über welche Kontaktaufnahmen oder Anfragen anderer Wissenschaftler*innen, Praktiker*innen oder sonstiger Interessierter würden Sie sich freuen?
Wer Expertise in den oben genannten Themenfeldern sucht, kann sich immer gerne an uns wenden. Wir sind in der Forschungslandschaft gut vernetzt, freuen uns aber auch immer über Anfragen für Kooperationen, Publikationen und Veranstaltungen. Wer finanzielle Mittel für eine auf dreißig bis fünfzig Jahre angelegte Verlaufsstudie zu politischer Sozialisation übrig hat, kann ebenfalls gerne zeitnah mit mir Kontakt aufnehmen.
Veröffentlicht am 23.08.2021
Zum Weiterlesen
- Das Deutsche Jugendinstitut ist in der Landkarte der Forschung zur politischen Bildung zu finden.
- Datenbankeintrag: Ehnert, Katrin et al. (2021): Handlungsfeld und Handlungslogiken. Wissenschaftliche Begleitung der Modellprojekte im Handlungsfeld Demokratieförderung im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ in der Förderphase 2020 bis 2024. Schwerpunktbericht (hrsg. vom Deutschen Jugendinstitut e.V.). mehr lesen