„In Forschung und Lehre muss Demokratiebildung ernstgenommen, interdisziplinär bearbeitet und institutionell nachhaltig verankert werden.“ Fünf Fragen an Sebastian Engelmann
Dr. Sebastian Engelmann ist Juniorprofessor für Allgemeine Erziehungswissenschaft und Studiengangsleiter der CAS (Certificate of Advanced Studies) Demokratiebildung an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Um mehr über die Vordenkerinnen unserer heutigen Vorstellungen von demokratischer Bildung herauszufinden, arbeitet er aktuell zur Geschichte und Theorie demokratischer Pädagogik im Exil.
Dr. Sebastian Engelmann ist Juniorprofessor für Allgemeine Erziehungswissenschaft und Studiengangsleiter der CAS (Certificate of Advanced Studies) Demokratiebildung an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Um mehr über die Vordenker*innen unserer heutigen Vorstellungen von demokratischer Bildung herauszufinden, arbeitet er aktuell zur Geschichte und Theorie demokratischer Pädagogik im Exil. Im Rahmen des Projekts „Leistung macht Schule“ forscht er außerdem zu demokratischer Schulentwicklung.
1. Was ist Ihr aktuelles und was war Ihr letztes Forschungsprojekt zur politischen Bildung?
Aktuell arbeite ich historisch-theoretisch zur Geschichte demokratischer Pädagogik im Exil. Dabei interessieren mich insbesondere sozialistische Pädagog*innen. Außerdem denke ich über die Rolle von Gewalt in der revolutionären Pädagogik des 20. Jahrhunderts nach – beide Themen sind wichtig, um die Diskussionen um politische Bildung historisch besser einordnen und nachvollziehen zu können. Viele der heute verhandelten Ideen sind schon lange ein Thema von Pädagog*innen oder wurden schlichtweg abgelehnt, da die Vertreter*innen dem falschen politischen Lager angehörten oder aus Deutschland vertrieben wurden. Empirisch arbeite ich im interdisziplinären, bundesweiten Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Leistung macht Schule“ an der breitenwirksamen Realisierung einer begabungs- und potenzialgerechten Leistungsförderung für alle Schüler*innen als Beitrag zur demokratischen Schulentwicklung.
2. Welche Ihrer Forschungsergebnisse schätzen Sie als besonders relevant für die Praxis politischer Bildung ein?
Ich denke, dass insbesondere die verschiedenen Ansätze im Projekt „Leistung macht Schule“ relevant für die in der Praxis umzusetzende Demokratisierung von Schule sind. Politische Bildung ist für mich untrennbar mit einem breiten Verständnis von Inklusion, multimethodischer Forschung und Offenheit für neue, auch überraschende Erkenntnisse, verbunden. All das findet sich im Forschungsprojekt „Leistung macht Schule“ (LemaS). Einen Einblick in die vielfältigen Elemente gibt es hier.
3. Welche Themen im Kontext politischer Bildung sollten Ihrer Meinung nach beforscht werden?
Mich interessieren insbesondere Best Practice Beispiele, gelungene Schulversuche und auch herausragende Projekte verschiedener außerschulischer Träger, von denen viel über die Gelingensbedingungen von Demokratiebildung in verschiedenen Institutionen gelernt werden kann. Zudem glaube ich, dass wir noch viel zu wenig darüber wissen, wer die Vordenker*innen unserer heutigen Vorstellungen von demokratischer Bildung sind. Ansonsten besteht die Gefahr, vermeintliche Lösungsvorschläge zu entwickeln, die in der Geschichte bereits problematisiert und durchdacht wurden. Hier besteht Aufholbedarf, gerade auch in der interdisziplinären und internationalen Forschung!
4. Welchen Gewinn kann ein Dialog von Wissenschaft und Praxis und ein Austausch zwischen den Wissenschaftsdisziplinen für die politische Bildung bringen?
Nur wenn Praxis und Wissenschaft, über vermeintlich starre Grenzen hinweg, gemeinsam miteinander Probleme identifizieren, diskutieren und anlassbezogen kreativ lösen, kann das Bildungs- und Erziehungssystem nachhaltig transformiert werden. Hier braucht es einen offenen Dialog zwischen Praxisakteur*innen ganz verschiedener Institutionen und Wissenschaftler*innen aus allen Disziplinen.
5. Die Fachstelle politische Bildung hat eine Landkarte der Forschung zur politischen Bildung entwickelt, um Austausch und feldübergreifende Zusammenarbeit zu fördern, zwischen und innerhalb der Wissenschaftsdisziplinen sowie zwischen Wissenschaft und Praxis. Sie sind dort mit einem Eintrag vertreten. Über welche Kontaktaufnahmen oder Anfragen anderer Wissenschaftler*innen, Praktiker*innen oder sonstiger Interessierter würden Sie sich freuen?
Ich freue mich über Anfragen von all denjenigen, die gerne gemeinsam demokratische Schul- und Unterrichtsentwicklung betreiben oder Möglichkeiten der Demokratiebildung für Erwachsene diskutieren und entwickeln wollen! Natürlich freue ich mich auch über Anfragen von Menschen, die Interesse daran haben intensiver über die vielfältigen Verbindungen zwischen Pädagogik- und Demokratiegeschichte, Exil und Vertreibung auch abseits des Kanons und der nationalstaatlichen Grenzen nachzudenken.
Veröffentlicht am 26.10.2023
Zum Weiterlesen
- Sie finden Jun.-Prof. Dr. Sebastian Engelmann in der Landkarte der Forschung zur politischen Bildung.