„Es müsste eine stärkere Auseinandersetzung mit lebenslanger politischer Bildung und den gesamtgesellschaftlichen Potenzialen sowie Orten politischen Lernens erfolgen.“ Fünf Fragen an Andreas Klee

Andreas Klee ist Professor an der Universität Bremen im Fachbereich Sozialwissenschaften und Direktor des Zentrums für Arbeit und Politik (zap). Seine Arbeitsschwerpunkte sind Demokratiebildung, Politikvermittlung und Partizipationsforschung. Im Gespräch mit der Fachstelle verweist er darauf, dass die Ziele der politischen Bildung thematisiert und diskutiert werden sollten.


Prof. Andreas Klee (Foto: privat)

Andreas Klee ist Professor an der Universität Bremen im Fachbereich Sozialwissenschaften und Direktor des Zentrums für Arbeit und Politik (zap). Seine Arbeitsschwerpunkte sind Demokratiebildung, Politikvermittlung und Partizipationsforschung. Im Gespräch mit der Fachstelle verweist er darauf, dass die Ziele der politischen Bildung thematisiert und diskutiert werden sollten.

1. Was ist Ihr aktuelles und was war Ihr letztes Forschungsprojekt zur politischen Bildung? 

Schon seit längerer Zeit beschäftigen wir uns am Zentrum für Arbeit und Politik (zap) mit der Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der politischen Bildung. In den letzten drei Jahren haben wir uns diesbezüglich intensiv mit Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit (Projekt: RESet) befasst, indem wir ihre Vorstellungen zu Brüchen in der Gesellschaft erhoben und auf dieser Grundlage gemeinsam mit Praxispartner_innen ein digitales Bildungskonzept entwickelt haben. Ähnlich arbeiten wir aktuell auch im Rahmen des neugegründeten Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ). Unser dortiges Teilprojekt „Politische Bildung als Transferlabor“ versucht gesellschaftliche Herausforderungen, Bildung und sozialwissenschaftliche Erkenntnisse in Form von Laboren konstruktiv aufeinander zu beziehen.

 

2. Welche Ihrer Forschungsergebnisse halten Sie für besonders relevant für die Praxis politischer Bildung?

Gerade mit Blick auf unsere aktuellen Projekte zeigt es sich immer mehr, dass es dringend notwendig ist, die Ziele politischer Bildung in Bildungsformaten explizit zu thematisieren, d.h. sie tatsächlich zur Sprache zu bringen. Es gibt in unserer Gesellschaft immer weniger Selbstverständlichkeiten und der Minimalkonsens über das, was ein lebenswertes Leben auszeichnet, wird brüchiger. Dazu gehören u.a. Fragen wie: Was bedeutet Demokratie? Was bedeutet Mündigkeit? Was bedeutet Freiheit und Gerechtigkeit? 

Darüber muss in Formaten politischer Bildungsarbeit gesprochen und vor allem gestritten werden. Man sollte nicht davon ausgehen, dass diese Kernfragen demokratischen Zusammenlebens nebenher beantwortet werden können.

3. Welche Themen im Kontext politischer Bildung sollten Ihrer Meinung nach beforscht werden? 

Ich glaube es müsste eine stärkere Auseinandersetzung mit lebenslanger politischer Bildung und den gesamtgesellschaftlichen Potentialen sowie Orten politischen Lernens erfolgen. Aktuell sind die verschiedenen Bereiche noch zu stark voneinander getrennt bzw. werden gar nicht berücksichtigt. Ist es nicht plausibel anzunehmen, dass beispielsweise jahrelange Alltagserfahrung in der Arbeitswelt in Bezug auf mein Verständnis von Gesellschaft deutlich wirksamer sind als ein paar Politikstunden?

4. Welchen Gewinn für die politische Bildung kann ein Dialog von Wissenschaft und Praxis bringen sowie ein Austausch sowohl zwischen den Wissenschaftsdisziplinen als auch innerhalb dieser?

Dialog ist immer ein guter und notwendiger Nährboden für Wissenschaft. Ich verstehe politische Bildung und politisches Lernen als Teilelement gesellschaftlicher Entwicklungen und damit kann sie nur aus interdisziplinärer Perspektive sinnvoll betrachtet werden. Der Austausch mit der Praxis eröffnet mir als Wissenschaftler den Blick für die Notwendigkeit der Schärfung meiner Fragestellungen und diszipliniert mich eine Sprache zu finden, die auch außerhalb des Kolleg_innenkreises für Zuhörer_innen anschlussfähig bleibt. Ich glaube auch, dass nur der offensive Umgang mit den jeweiligen Möglichkeiten und Begrenztheiten von Theorie- und Praxisperspektiven letztlich zu einer Weiterentwicklung politischer Bildung führen kann.

5. Die Fachstelle politische Bildung hat eine Landkarte der Forschung zur politischen Bildung entwickelt, um Austausch und feldübergreifende Zusammenarbeit zu fördern: zwischen und innerhalb der Wissenschaftsdisziplinen, aber auch zwischen Wissenschaft und Praxis. Sie sind dort mit einem Eintrag vertreten. Über welche Kontaktaufnahmen oder Anfragen anderer Wissenschaftler_innen, Praktiker_innen oder sonstiger Interessierter würden Sie sich freuen?

Ich freue mich über jede Kontaktaufnahme, die mit dem Interesse einhergeht, die Wechselwirkung zwischen gesellschaftlicher Entwicklung und dem individuellen Verständnis davon in den Blick zu nehmen. Sollte es sich dabei zudem noch um Personen handeln, die Ideen haben, wie man die dabei gewonnenen Erkenntnisse in innovative Formate politischer Bildungsarbeit überführen könnte, sollte der Kooperation nichts mehr im Wege stehen.

Veröffentlicht am 28.09.2020

Zum Weiterlesen:

Sie finden Andreas Klee in der Landkarte der Forschung zur politischen Bildung.



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