Politik wie Bärchenwurst? – Aktualität und Bürger_innensorgen

Protokoll Transferdialog 7

 

Als Expert_innen aus Wissenschaft und Praxis geladen waren:

      • Prof. Dr. Rico Behrens/Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
      • Frank Böhme/Berufliches Schulzentrum 12 „Robert Blum“
      • Prof. Dr. Julika Bürgin/Hochschule Darmstadt
      • Dennis Grunendahl, Geschichtsort Villa ten Hompel
      • Mark Kleemann-Göhring/Supportstelle Allgemeine Weiterbildung Qualitäts- und Unterstützungsagentur – Landesinstitut für Schule NRW
      • Dr. Annette Rehfeld-Staudt/Sächsische Landeszentrale für politische Bildung
      • Sebastian Reißig/Aktion Zivilcourage e. V.
      • Dr. Peter Straßer/Bildungszentrum Heimvolkshochschule Hustedt e. V.
      • Moderation: Jens Maedler/Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ)

       

      Der Transferdialog „Politik wie Bärchenwurst? – Aktualität und Bürger_innensorgen“ fand zweimal statt.

      Fotos: Fotostudio Heupel

      In den Transferdialogen zum Thema „Politik wie Bärchenwurst? – Aktualität und Bürger_innensorgen“ wurde u. a. über den Titel des Dialogs diskutiert. Die Formulierung geht auf einen Zeitungsartikel von Sven Liebert zurück, der während der Jahrestagung auch einen Vortrag hielt. Der Begriff beschreibt die Entfremdung der Menschen von der Politik. Einheitlich äußerten die Diskussionsteilnehmenden, dass Jugendliche und Erwachsene ein Interesse an Politik, aber auch viele unterschiedliche politische Anliegen haben.

       

      Thema und Titel sollen Neugierde wecken

      Es wurde diskutiert, wie unterschiedliche Formate inhaltlich gestaltet sein müssen, um Zugänge zu wenig erreichten Zielgruppen politischer Bildung schaffen können. Bei Veranstaltungen, die auf freiwilliger Basis stattfinden, sollten Thema und Titel Neugierde wecken und einen emotionalen Bezug zum Thema herstellen. In diesem Kontext wurden alltagsbezogene und aktuelle Themen empfohlen.

       

      Die Themen hinter den Themen

      Es wurde angemerkt, dass politische Bildung auch immer die politischen Themen hinter den Alltags-Themen erkennen und behandeln sollte. Durch Nachfragen bestehe die Möglichkeit, Bedürfnisse und Haltungen der Teilnehmenden zu erkennen. Insbesondere bei Veranstaltungen politischer Jugendbildung sollten Mitgestaltung und das Einbringen eigener Ideen immer primär sein. Wichtig war für die Diskutierenden, dass das Ziel politischer Bildungsarbeit bei allen Formaten sein muss, zu den Inhalten politischer Bildung zu gelangen. Dabei stünden der Bezug zu realen gesellschaftlichen Verhältnissen, Haltungen sowie die Würde aller Menschen im Vordergrund. Fragen nach Werten lassen häufig Dilemmata und Problemlagen erkennen.

       

      Orte für einen Dialog sind elementar für die Demokratie

      Im weiteren Verlauf wurden anhand von Beispielen unterschiedlicher Formate politischer Bildung ihre jeweiligen Bedingungen und Zugangsmöglichkeiten diskutiert. Konsens bestand darüber, dass Online-Foren für den Austausch auf Dauer ausgelegt, moderiert und gestaltet werden sollten. Frei zugängliche Diskussionsrunden, wie zum Beispiel an Volkshochschulen, können Gelegenheiten zur Auseinandersetzung über politische Themen bieten, so die Diskussionsteilnehmenden. Hier wurde hervorgehoben, dass Rahmen, Möglichkeiten und Orte zum Dialog für eine Demokratie elementar seien. Gerade für Personen, die sich nicht gehört fühlen, können ergebnisoffene Räume einen persönlichkeitsbildenden Prozess ermöglichen. Der Diskurs sollte weniger auf Defizite bezogen sein, sondern vielmehr an den Potenzialen der Teilnehmenden ansetzen, merkten die Diskutierenden an.

       

      Vielfältige Formate politischer Bildung

      In den Dialogrunden wurde über die Möglichkeiten verschiedener Formate diskutiert, bisher wenig erreichte Zielgruppen zu erreichen. Veranstaltungen, wie beispielsweise heterogen zusammengesetzte Fortbildungsmaßnahmen, könnten die Möglichkeit eines offenen Erfahrungsaustauschs bieten. Hierbei sollten Vertrauen und Kommunikation im Vordergrund stehen. Durch einen unmittelbaren Kontakt verschiedener Menschen (z. B. mit Personen mit Migrationshintergrund) könnten neue Denkansätze entstehen. Wichtig sei es, Stigmatisierungen und Marginalisierungen aufzugreifen und zu thematisieren. Online-Formate bieten die Möglichkeit, aktuelle Themen aufzugreifen und einen Ort zum Austausch zu bieten. Durch festgelegte Regeln könnte eine Online-Diskussion gestaltet und gerahmt werden, so die Runde. Als ein weiteres Thema wurde diskutiert, wie politische Bildung in nicht-didaktisierten Alltagsräumen stattfinden kann und wie sich diese Räume beeinflussen lassen, um einen Meinungsaustausch zu ermöglichen.

       

      Schüler_innen sollte auf Augenhöhe begegnet werden

      In der schulischen politischen Bildung sollten persönliche Erfahrungen der Schüler_innen einbezogen und Gemeinsamkeiten erarbeitet werden. Es sei wichtig, den Schüler_innen auf Augenhöhe und mit Respekt zu begegnen. Es sollten Formate gefunden werden, die Themen und Inhalte für aktuelle Themen offen lassen, um diese gezielt aufgreifen und reflektieren zu können. Kritisch wurde jedoch angemerkt, dass der Einbezug aktueller Themen im Rahmen vorgegebener Curricula schwierig sein könne. Ein Vorschlag war, die erste Viertelstunde des Unterrichts zu nutzen, um Inhalte außerhalb des Curriculums aufzunehmen. Eine weitere Möglichkeit wurde in kleinen Projekten mit Mitbestimmungsmöglichkeiten und der Einbindung von Schüler_inneninteressen gesehen. Hier wurden positive Effekte von Empowerment, Partizipation und demokratischem Handeln genannt. Kritisch wurde angemerkt, dass Projekte, die politische Partizipation in der Schule anregen, in der Realität häufig nicht umgesetzt oder langfristig implementiert werden können. Außerdem bestehe vor allem in der Schule die Gefahr einer Scheinpartizipation, die sich negativ auf das politische Interesse von Kindern und Jugendlichen auswirken könne.

      Abschließend wurden auf die Grenzen politischer Bildung hingewiesen. Politische Bildung könne nicht Aufgaben übernehmen, die eigentlich dem Feld der Politik zugeordnet seien, so die Teilnehmenden der Dialogrunden.