Gemeinsam stärker! – Kooperativ effektiv?

Protokoll Transferdialog 1

 

Als Expert_innen aus Wissenschaft und Praxis geladen waren:

  • Dr. Uwe Hunger/Universität Münster
  • Prof. Dr. Veronika Fischer/Hochschule Düsseldorf
  • Prof. Dr. Christine Zeuner/Universität der Bundeswehr Hamburg
  • Friedhelm Jostmeier/Landesarbeitsgemeinschaft für eine andere Weiterbildung NRW e.V.
  • Iwona Domachowska/Gustav Stresemann Institut in Niedersachsen e.V.
  • Anett Quint/Justus Delbrück Haus|Akademie für Mitbestimmung Bahnhof Jamlitz
  • Stefan Breuer/TU Dresden
  • Moderation: Anja Witzel/Berliner Landeszentrale für politische Bildung

 

 Der Transferdialog „Gemeinsam stärker! – Kooperativ effektiv?“ fand zweimal statt.

Fotos: Fotostudio Heupel

In den Dialogen „Gemeinsam stärker! – Kooperativ effektiv?“ wurden Möglichkeiten, Grenzen und Risiken der Kooperation zwischen Einzelpersonen, Initiativen, Institutionen und/oder Behörden in Bezug auf das Tagungsthema diskutiert. Die Teilnehmenden der Diskussion waren sich einig, dass Kooperationen für die politische Bildung im Kontext wenig erreichter Zielgruppen viele Potenziale bieten. Die Expert_innen berichteten von ihren Erfahrungen aus Wissenschaft und Praxis politischer Bildung und waren sich einig, dass durch Kooperationen größere Netzwerke erreicht, Zielgruppen erweitert und die Kostenbelastung (z. B. Raummieten, Pressearbeit etc.) aller Beteiligten gesenkt werden können.

 

Festlegung von Zuständigkeiten

Um die Potenziale von Kooperationen ausschöpfen zu können, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein. Als eine wesentliche Bedingung wurde die Festlegung von Zuständigkeiten formuliert, um Missverständnissen, Konflikten und Enttäuschungen vorzubeugen. Wichtig sei dies insbesondere in der Zusammenarbeit von kleineren und größeren Institutionen. Es wurde davor gewarnt, Organisationen als „Klientelbeschaffer“ zu missbrauchen oder gezielt Personal abzuwerben. Die jeweiligen Bedingungen und Ziele der Kooperation müssen zwischen allen Beteiligten offen ausgehandelt werden, so die Diskussionsteilnehmenden.

 

Kooperation auf Augenhöhe

Insgesamt wurden die Unterschiede zwischen der Professionalität von Behörden und etablierten Institutionen auf der einen Seite und weniger organisierten und teilweise mittellosen kleineren Initiativen herausgestellt. Auch sprachliche Barrieren sind zu beachten, beispielsweise bei Selbstorganisationen von Migrant_innen. Um darauf zu reagieren, wenn auf Seiten kleinerer Organisationen (z. B. Selbstorganisationen) Skepsis aufgrund der „Überlegenheit“ größerer Organisationen bestehe, brauche es ein gemischt aufgestelltes Team. Außerdem sollten Projektanträge kleinerer Organisationen von Beginn an begleitet und Mehrsprachigkeitspotenziale genutzt werden. Oftmals fehlt kleineren Organisationen Wissen über Kooperationsmöglichkeiten, es braucht daher systematische Fortbildungen zur Anleitung von Kooperationen.

 

Persönliche Kontakte und Vertrauen

Als weitere Bedingung für erfolgreiche Kooperationen wurden „Brückenmenschen“ genannt, wobei der Vernetzungsprozess selbst als politischer Lernprozess für die Brückenmenschen wirken kann. Meist entstehen Kooperationen durch persönliche Kontakte und eine gemeinsame Vertrauensbasis. In diesem Kontext wurden „Vernetzungstage“ empfohlen, um Kontakte herzustellen und zu pflegen. In diesem Zusammenhang wurde auf Forschungsergebnisse hingewiesen, die zeigen, welche Bedeutung Brückenmenschen und Schlüsselpersonen haben und dass diese oft über das Gelingen von Kooperationen entscheiden.

 

An der Lebenswelt der Zielgruppen ansetzen

In der Arbeit für und mit wenig erreichten Zielgruppen muss politische Bildung besonders niedrigschwellig an der Lebenswelt der Menschen ansetzen, so die Diskussionsteilnehmenden. Es wurde kritisiert, dass die politische Bildung zu oft von einer gewissen „Mittelschichtsperspektive“ ausgehe. Schon Teilnehmendenlisten können z. B. auf wohnungslose Menschen oder Menschen mit Lese- und/oder Schreibschwierigkeiten abschreckend wirken.

 

Besonderheiten bei der Kooperation von schulischen und außerschulischen Akteuren

Die Kooperation zwischen schulischen und außerschulischen Trägern politischer Bildung wurde von einigen Teilnehmenden als schwierig eingeschätzt. Als eine Schwierigkeit wurde die unterschiedliche Finanzierung der jeweiligen Fachkräfte genannt. Außerdem ist der Zugang zu Schulen häufig schwierig. Das schulische Personal müsse erst langwierig vom Sinn der Kooperation überzeugt werden, häufig stünden Nützlichkeitserwägungen im Vordergrund, so die Diskussionsrunde. Dennoch sahen die Teilnehmenden in der Zusammenarbeit zwischen Schulen und außerschulischen Partnern gerade für die Arbeit mit wenig erreichten Zielgruppen eine besondere Chance.

 

Beispiele gelungener Kooperationen müssen reflektiert werden

Die Teilnehmenden waren sich einig, dass es viele Beispiele gelungener Kooperationen gebe, diese aber auch ausreichend reflektiert werden müssen. Aus den bislang wenigen empirischen Studien, die sich mit dem Thema Kooperationen beschäftigen, werde klar, dass Finanzierungen kurzfristiger Projekte am ungünstigsten sind. Die Diskutierenden folgerten, dass Kooperationen immer eine Unterstützungsstruktur brauchen, um z. B. die Kosten für Koordination und Organisation zu decken. Es wurde auf Forschungsergebnisse hingewiesen, die zeigen, dass Kooperationen beispielsweise dann erfolgreich sind, wenn bei den Beteiligten eine intrinsische Motivation vorliegt. Kooperationen würden seltener durch externe Anreize, wie zum Beispiel Projektausschreibungen, angeregt.

 

Forschungslücken und organisierter Erfahrungsaustausch

Forschungslücken wurden zu der Frage formuliert, ob es einer professionellen, institutionalisierten Verankerung von Netzwerkbildung bedarf. Es fehle aber auch an quantitativen und qualitativen Studien zu Kooperationen in der politischen Bildung. Außerdem seien Studien zu kleineren Initiativen, die Kooperationen Bottom-up gestalten, notwendig, auch, da dieses Wissen ansonsten häufig verloren gehe. Es wurde auch eine Überforderung durch die ständige Neugründung von Netzwerken beschrieben. In diesem Zusammenhang wurde der Wunsch nach einer Plattform für den organisierten Erfahrungsaustausch geäußert, die helfe, existierende Strukturen und Netzwerke besser nutzen zu können.